Der Gewalt entkommen - Schicksale aus dem Alltag des Frauenhauses Deggendorf
Martina T. hat Anfang zwanzig ihre Jugendliebe geheiratet. Das junge Paar baute ein Haus. Bald schon kamen die beiden Kinder zur Welt. Wenig Schlaf, Schulden und die familiären Verpflichtungen führten immer öfter zu Streit. Das erste Mal schlug Herr T. zu, weil ihm das gekochte Essen nicht geschmeckt hat. Mit den Jahren brauchte er keinen Grund mehr, um gewalttätig zu werden. Frau T. blieb der Kinder wegen und weil sie sich schuldig fühlte. Erst als Herr T. auch gegenüber den Kindern gewalttätig wurde, meldete sich Frau T. beim Frauenhaus.
Simone K. war noch in der Ausbildung und lebte seit Kurzem mit ihrem Freund zusammen. Auf einem Fest tanzte Frau K. mit einem fremden Mann. Sie lachte und hatte viel Spaß; bis ihr Lebensgefährte sie aus dem Festzelt zog, ins Auto zerrte, ihr Handy aus dem Fenster warf und sie zu Hause grün und blau schlug. Sie konnte zu den Nachbarn fliehen, die daraufhin die Polizei verständigten.
Theresa B. ist schon im Seniorenalter. Seit Jahrzehnten erträgt sie den Jähzorn ihres Mannes, seine Beleidigungen, Beschimpfungen und den Erniedrigungen. Er duldet keinen Besuch ihrer Freundinnen, kontrolliert ihr Handy und wenn er getrunken hat, wird er auch mal handgreiflich. Die mittlerweile erwachsenen Kinder, von denen Frau B. dachte, dass sie nie etwas mitbekommen haben, bestärken sie ins Frauenhaus zu gehen.
Frau T., Frau K. und Frau B. sind frei erfunden, doch ähneln ihre
Lebensgeschichten denen, die den Mitarbeiterinnen des Frauenhauses begegnen. Allen gemein ist, dass sie Opfer häuslicher Gewalt durch ihren Mann oder Lebensgefährten geworden sind. "Die Frauen erleben körperliche und/oder psychische Gewalt; sind zwischen 18 und 70 Jahre alt; sie kommen mit oder ohne Kinder. Manche bleiben nur für ein paar wenige Tage, andere Wochen und Monate, da sich die Wohnungssuche oft sehr schwierig gestaltet. Gerade durch Corona und den steigenden Mietpreisen wird die Situation noch angespannter", so die Auskunft einer Frauenhausmitarbeiterin.
Im Frauenhaus kommen die Frauen erst einmal zur Ruhe. Sie erfahren individuelle, sozialpädagogische Begleitung und Unterstützung, um die erfahrene Gewalt und Probleme aufzuarbeiten. Daneben ist die finanzielle Existenz zu sichern und bei Bedarf bei Ämtern- und Anwaltsterminen zu begleiten. Da das Frauenhaus auch Schutz für die Kinder der Frauen bietet und diese selbst oft Zeugen oder Opfer von Gewalt sind, werden Hilfen für die Kinder eingeleitet. Ein notwendiger Kindergarten- oder auch Schulwechsel wird organisiert. Es gilt eine neue Lebensperspektive zu erarbeiten. Die Entscheidung, ob eine Trennung erfolgen oder die bestehende Ehe oder Partnerschaft aufrechterhalten werden soll, kann nur unter Bedingungen stattfinden, in denen sich eine Frau sicher fühlt und zur Ruhe kommt. In welche Richtung es geht, entscheidet die Frau für sich, sie wird dabei individuell unterstützt und begleitet.
Die Rufbereitschaft sucht Verstärkung
Viele Frauen fliehen aus der akuten Gewaltsituation. Eine Aufnahme in das Frauenhaus zu jeder Tages- und Nachtzeit wird mit einer ehrenamtlichen Rufbereitschaft ermöglicht. Die Rufbereitschaft braucht dringend Verstärkung! Es werden ehrenamtliche Mitarbeiterinnen gesucht, die nach Büroschluss, an den Wochenenden und Feiertagen, je nach ihren individuellen Zeitmöglichkeiten, telefonisch für diesen Dienst erreichbar sind und die hilfesuchende Frau ins Frauenhaus aufnehmen. Die Ehrenamtlichen werden in die Arbeit eingeführt und für ihren Einsatz geschult. Wer Interesse zur Mitarbeit hat, kann sich über das Frauenhaustelefon Rufnummer 09 91- 38 20 20 melden.