30 Jahre Zufluchtstätte - die "Deggendorfer Lösung" für ein Frauenhaus
Im August 1992 wurde die Zufluchtstätte Deggendorf eröffnet und besteht somit seit 30 Jahren. Aus einer ursprünglichen "Notfallwohnung" in den Achtzigern entstand eine tragfähige und professionelle Hilfe für Frauen, welche von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen sind. Aufgrund der Initiative des überparteilichen Arbeitskreises "Frauenhaus" und dem damaligen Landrat Dr. Georg Karl konnte die sogenannte "Deggendorfer Lösung" ins Leben gerufen werden. In Kooperation wurde das Konzept "Zufluchtstätte für misshandelte Frauen" entwickelt. Träger der Einrichtung ist der Caritasverband f. d. Landkreis Deggendorf e.V. Die finanziellen Mittel stellt der Landkreis zur Verfügung. Im Unterschied zu einem Frauenhaus kann nur landkreisbezogen aufgenommen werden.
Fazit aus den letzten 30 Jahren ist, dass die Notwendigkeit einer Zufluchtstätte für Frauen, die häusliche Gewalt erleben, leider nicht abgenommen hat. Der Homepage des Bundesamtes für Familien entnommen, hat die jährliche kriminalstatistische Auswertung zur Partnerschaftsgewalt 2021 ergeben, dass insgesamt 143.504 Menschen Opfer von Partnerschaftsgewalt wurden, in vier von fünf Fällen handelt es sich dabei um eine Frau. Von Strafanzeigen oder Erwirkung eines Kontaktverbotes nach dem Gewaltschutzgesetz (GewSchG), schrecken nach wie vor viele Frauen zurück bzw. zeigen Verstöße dagegen nicht an, daher ist Dunkelziffer ist weit höher.
Selbst wenn in den zurückliegenden Jahren häusliche Gewalt mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat und in der Öffentlichkeit thematisiert wurde, ertragen Opfer ihr Leid oft jahrelang, bevor sie sich dagegen wehren und entschließen Hilfe von außen zu suchen. Finanzielle und/oder psychische Abhängigkeit, Scham, Selbstzweifel, mangelndes Selbstvertrauen oder einfach der Kinder wegen, bleiben die Frauen beim Partner. Erscheinungsformen und Ursachen sind vielfältig. Oft handelt es sich um eine Mischung aus körperlicher Misshandlung, seelischer, finanzieller, emotionaler
und sexueller Gewalt. Sie reicht von Drohungen und Beschimpfungen bis hin zu Nötigung oder Vergewaltigung. Auslösende Elemente können allgemeine Ehe- und Partnerprobleme, finanzielle Sorgen, Arbeitslosigkeit, Alkohol-, Drogensucht oder psychische Probleme sein.
Somit stellt die Zufluchtstätte ein Lichtblick am Ende des Tunnels häuslicher Gewalt dar. Durch die Anonymität des Hauses können die Frauen mit ihren Kindern erst einmal ankommen und in einem der fünf Zimmer zur Ruhe kommen. Zunächst gilt es die finanzielle Existenz zu stabilisieren, bei Bedarf Anwalts-, Jugendamts- oder Gerichtstermine zu begleiten und notwendige Kindergarten- oder Schulwechsel zu organisieren. Durch intensive professionelle sozialpädagogische Begleitung können die Frauen ihren eigenen Lebensweg entwickeln. Ob sich die Frauen trennen oder eine neue Perspektive in der Partnerbeziehung entwickeln möchten entscheiden die Frauen selbst. Somit wird den Frauen und ihren Kindern die Möglichkeit eines gewaltfreien Lebens eröffnet und sie erhalten die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde.
30 Jahre - da gibt es viele Auf und Abs. So war auch der Ausnahmezustand Corona auch im Organisationsgeschehen der Zufluchtstätte Deggendorf deutlich spürbar. Es war zu vermuten, dass die Anzahl an häuslichen Gewaltfällen zunehmen würden. Gerade die zur Eindämmung der Corona-Pandemie erforderlichen Einschränkungen im Alltag führten zu einer weiteren sozialen und psychischen Belastungssituation in den Familien. Finanzielle Probleme durch Kurzarbeit, Homeschooling und Quarantäne können die Gewaltbereitschaft ansteigen lassen. Trotz alle Befürchtungen kam es jedoch nicht zu den erhöhten Frauenhausaufnahmen. Gründe dafür können sein, dass Frauen, die bereits häusliche Gewalt erfuhren ihrem Partner noch mehr ausgeliefert waren, denn die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen sorgten dafür, dass die Frauen weniger Möglichkeiten hatten, sich unbeobachtet Hilfe zu holen. Weiter ist zu vermuten, dass aufgrund der Angst vor Ansteckung, der Schritt ins Frauenhaus zusätzlich erschwert wurde. Die Dunkelziffer häuslicher Gewalt war während der Corona-Pandemie vermutlich besonders hoch. Im Jahr 2020 und 2021 wurden so wenig Frauen wie noch nie in der Zufluchtstätte aufgenommen.
Um die Ehrenamtlichen vor Ansteckung zu schützen musste im März 2020 die Rufbereitschaft ausgesetzt und die Möglichkeit zur Rund-um-die-Uhr-Aufnahme pausieren. Frauenhausaufnahmen nachts, an Wochenenden und an Feiertagen sind nur umsetzbar, wenn ein starkes Team an Ehrenamtlichen diese Dienste übernimmt. Viele der Ehrenamtlichen sind bereits seit mehreren Jahren mit viel Herzblut in der Rufbereitschaft, was ein unschätzbar wertvoller Teil des Gesamtkonzepts der Zufluchtstätte darstellt. Das Team des Frauenhauses möchte sich gerne an dieser Stelle dafür bedanken und arbeitet daran die Rufbereitschaft wieder zu aktivieren. Dafür werden noch dringend ehrenamtliche Frauen gesucht, daher hier folgenden Aufruf:
Wer Interesse an einer verantwortungsvollen und interessanten ehrenamtlichen Tätigkeit hat, über eine positive und optimistische Grundeinstellung verfügt und auch in Ausnahmesituationen belastbar ist, meldet sich bitte unter der Frauenhaus-Telefonnummer 0991-382020, um nähere Informationen zu erhalten. Hauptamtlichen Mitarbeiterinnen führen in das Aufgabengebiet ein und betreuen die Arbeit der Rufbereitschaft fortlaufend.
Auch wenn aufgrund des traurigen Hintergrundes der häuslichen Gewalt das Jubiläum nicht zum Feiern anregt, zeigt sich doch, dass die "Deggendorfer Lösung" sehr vielen Frauen (rund 700 Frauen und 600 Kindern) in den drei Jahrzehnten einen Ort der Zuflucht, Schutz und fachliche Hilfe für eine neue Lebensperspektive sein durfte und sich somit als erfolgreiche und notwendige Einrichtung durchgesetzt hat.
Wer von häuslicher Gewalt bedroht oder betroffen ist kann Montag bis Donnerstag von 8:00 bis 16:00 Uhr und Freitag von 8:00 bis 12:00 Uhr unter 0991/382020 ein persönliches Beratungs- und Informationsgespräch erhalten. Außerhalb dieser Zeiten können sich die Hilfesuchenden an das deutschlandweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter 0800/0116 016 oder direkt an die örtliche Polizei wenden. Ihre Anonymität und Sicherheit ist gewährleistet. Weitere Infos finden Sie unter www.caritas-deggendorf.de